Wandel – Eine Frage der Kultur?!

Kulturwandel

Umdenken. Kaum etwas ist derzeit so brisant, so notwendig, so en vogue, so schwer. Klimawandel, Coronapandemie, Umbrüche – Umdenken? Klar, das müssen wir tun. Aller zusammengenommener Menschenverstand, alle Fakten, alle Zukunftsvisionen schreien uns an: Wir müssen! Unsere Werte und Überzeugungen sagen: Und wir wollen! Wir packen’s an! Wir schaffen das! Und dann machen wir. Wir engagieren uns, beginnen der Wandel zu sein, den wir brauchen. Viele kleine Menschen, an vielen kleinen Orten. Und es passiert  – gefühlt nichts!

Kulturwandel ist leichter gesagt, als getan

Wer schon einmal versucht hat, ein System von innen heraus zu ändern, der weiß, wovon ich spreche. Viele blutige Nasen und eingerannte Köpfe später sitzen wir ratlos beisammen und fragen uns: Warum ist das so? Wieso lassen sich Systeme und Strukturen so schwer ändern? Wieso sind informelle Verhaltensweisen, Werte und Denkstrukturen in Organisationen, Gesellschaften und Teams so verdammt stabil?

Love it – change it or leave it

Ein Kalenderspruch – Einer der schlaueren Sorte! – liefert uns eine Erklärung für dieses Phänomen, dass besonders in größeren Organisationen Kulturwandel so schwer zu implementieren ist. Doch zunächst, was ist eigentlich die Ausgangslage? Schauen wir genauer hin! Schon die Wort „Kulturwandel“ und „Umdenken“ zeigen, dass wir nicht bei Null anfangen können. Es gibt etwas, das bereits vorhanden ist: Werte, Verhaltens- und Denkmuster: Kultur.

Love it

Wer in eine Kultur sozialisiert wird, der lernt Sprache und Codes von der Pieke auf. Am eigenen Verhältnis zu dieser Kultur entscheidet sich, welche Rolle im System wir spielen wollen und können. Wer sie liebt und in ihr aufgeht, dem öffnen sich Türen. Kulturelle Muttersprachler fühlen sich wie der sprichwörtliche  Fisch im Wasser. Sie wissen, was es braucht, um an die Spitze zu kommen. Sie manövrieren sich stromlinienförmig ohne nennbare Widerstände voran. Die Kultur ist ihnen zweite Haut. Sie lieben sie, so wie sie ist. Und so soll sie bleiben.

Kein Wunder also, dass wir die Kultur eines Unternehmens in den Ebenen des mittleren und gehobenen Managements in Reinform wiederfinden. Man muss ja darauf achten, dass die Leute, die in Entscheidungspositionen gelangen eben auch „zu uns passen“.  Durch Selektion sorgt die Organisation selbst dafür, stabil, sich selbst reproduzierend und resistent gegen zu viel Veränderung zu sein. Das ist ihre Kernaufgabe. Es geht um Identität, Status, Selbstverständnis  und all die Kernthemen der Daseinsberechtigung.

Change it?

Auch Kulturliebhaber*innen sind nicht davor gefeit, mancherorts dennoch eine Notwendigkeit zum Wandel zu erkennen. Wer sein System liebt und zugleich erkennt, dass es Not tut, Dinge zu ändern, der beginnt für den Wandel einzutreten. Hochmotivierte, mit Team und Organisation identifizierte Menschen versuchen, das System fit zu machen für Neues. Die Armen haben ja keine Ahnung, mit wem sie sich da eingelassen haben. Je länger die Managementselektion bereits dafür gesorgt hat, dass die kulturellen Leitwerte des Unternehmens in Granit gegossen – bzw. in Fleisch und Blut übergegangen sind, umso bedrohlicher sind Veränderungsbestreben für die Identität. Für das institutionelle aber auch für das persönliche Selbstverständnis all der Menschen aus denen diese Kultur aufgebaut wurde und wird. Lebendige Bausteine sozusagen – handverlesen und sortiert nach Werten und Verhalten. An diesem kulturellem Bollwerk rennen die Wandelmutigen sich ihre Nasen blutig. Ganz egal, ob die Veränderungsvorschläge legitim, erstrebenswert oder gerechtfertigt sind – die Mauer prüft erstmal nicht. Wie lange sie standhält? Man weiß es nicht. Gelingt es, genug Mitstreiter*innen zu überzeugen, können solche Bestrebungen Frucht tragen und Institutionen helfen, resiliente Strukturen auszubilden.

Leave it

Bleibt all das Bestreben aber wirkungslos, kommt irgendwann die Frage auf, wie lange der Wandelmut anhält? Viele einstmals Engagierte resignieren irgendwann und hören auf, sich blutige Nasen zu holen. Sie verlassen das System. Das kann unterschiedlich aussehen. Ganz körperlich geschieht es z.B. durch eine Kündigung, oder wenn Menschen sich versetzen lassen. Viel zu oft unbemerkt aber geht das Verlassen durch innere Emigration. Mitarbeitende, die lange wirkungslos sich engagiert haben und aufgeben, kündigen innerlich. Sie werden krank oder machen Dienst nach Vorschrift. Sie sind am vergeblichen Wandlungsversuch ausgebrannt. Manche suchen sich auch Nischen, an denen sie ihre Energie einbringen können ohne sich weiterhin die Köpfe einzurennen. Was für eine weise Entscheidung für diese Menschen – was für ein Verlust für die Organisation.

Alternativlos?

Tatsächlich ist dieser Selbsterhaltungstrieb von Systemen an sich ja nicht ungesund. Er sorgt für Stabilität und Beständigkeit und Überleben in einer sich wandelnden Welt. Jedem kleinen Wandlungsansatz nachzugehen hätte zur Folge, dass eine Organisation nicht mehr zielführend agieren kann, sondern eben nur „im Außen“ unterwegs ist, ohne Ziel, ohne Richtung. Es geht also um die spannende Fragen, ob erkannt wird, wann Veränderungen überlebensnotwendig werden und ob diese Erkenntnis Konsequenzen nach sich zieht. Welches DAX Unternehmen stellt heute noch Hörspielkassetten her? Floppydisks? Eben!

Veränderungskompetenz

Der Knackpunkt ist tatsächlich eine Kulturfrage. Eine Organisation muss es schaffen, dass Veränderungskompetenz Teil der Kultur wird, zum positiven Selektionsmerkmal. Wenn es in zentralen Werten angelegt ist, die eigene Kultur in Frage zu stellen, neue Impulse von außen aufzunehmen und das eigene Handeln daran zu messen, gibt es flexible Stellen in den kulturellen Mauern. Und gerade in Zeiten der Erschütterungen ist Flexibilität ein Überlebensgarant. Also ran an die Kultur in der Führungskräfteentwicklung!

Love to change it so you don’t have to leave it!

 

 

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