Haltung, bitte!

Keine Sorge, hier geht es jetzt nicht um die B-Note beim Turnen, nicht um Ausdruck, nicht um Körperspannung oder um Ästhetik. Naja oder zumindest nur indirekt. Wobei Stärke, Präsenz und Rückgrat braucht man auch, wenn man Haltung als prägendes Moment in der Welt es Miteinanderarbeitens und -schaffens betrachtet. Aus ihr erwächst unser Handeln, unsere Ausstrahlung und Wirkkraft. Sie zu bewahren angesichts so mancher steifer Brise, das braucht schon Ausdauer und zugleich – um nicht am Gegenwind oder unüberwindbar scheinenden Hindernissen zu zerbrechen – auch Geschmeidigkeit und Biegsamkeit. Insofern – vielleicht doch ein wenig Ballett.

Haltung ist alles

Jetzt ist das an sich ja erstmal nicht wirklich was Neues. Eigentlich hören wir das doch seit Jahren immer wieder. „Kommuniziere wertschätzend, üb‘ das mal ein. Sei authentisch! Achte auf dies und achte auf jenes.“ Und das ist ja auch nicht verkehrt – eigentlich.

Was Kommunikation angeht, bin ich – bei aller wirklich großen Liebe zu Modellen – doch auch irgendwie Vertreterin des „form follows function“. Was nützt mir die noch so ausgefeilteste Methode der Kommunikation, die ausgeklügeltste Strategie fürs Mitarbeitendenjahresgespräch, wenn bei all den schönen Worten und Interventionen das Herz dahinter doch ganz anders tickt. Hast Du sicher auch schon mal erlebt – da kleidet jemand seine Gedanken in die tollsten Worte, schnörkelt empowernde Binsenweisheit wie eine Eins herum und dennoch kommst Du Dir hinterher von oben herab behandelt und abgewaschelt vor (Bitte entschuldige den Dialekt – aber ein schöneres als dieses bayrische Wort fällt mir hier nicht ein). An den Worten konnte es nicht liegen, oder.

Form follows function

Wenn die Methode nur Mittel zum Zweck ist und nicht auch die eigene Haltung widerspiegelt, dann bleibt sie eben hohl. Wenn das Gegenüber das spürt – und das ist meistens der Fall, bleibt ein schales Gefühl zurück. Schlimmstenfalls verkehrt sich die Wirkung ins Gegenteil. Mein Gegenüber fühlt sich hintergangen, manipuliert oder salopp gesagt: verarscht. Das Hohelied der Liebe im Korintherbrief formuliert das sehr schön: „Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle“. Die Kommunikationspsychologie spricht von fehlender inneren Deckung, mangelnder Kongruenz – allgemein formuliert von einem Mangel an Authentizität.

Aber das kann uns doch nicht passieren, oder?

Uns, die wir es doch gut meinen! Uns, die wir im sozialen Sektor, womöglich sogar in Kirche arbeiten. Nein, wir sind über jeden Zweifel erhaben, sind die Guten und haben wirklich verstanden wie wichtig das mit der Wertschätzung und der Augenhöhe ist. *ironieoff* Wir kennen das, wir wissen das, wir predigen das sogar. Und wir handeln dann doch oft so ganz anders. Wissen, Fühlen und Handeln sind einfach sehr unterschiedliche Dinge. Der Weg von Kopf zur Hand muss übers Herz gehen – und da ist sie dann wieder, die Haltung. Die, die uns auch manchmal abverlangt, dass wir uns selbst kritisch hinterfragen. Wenn ich wirklich überzeugt bin, dass …. Wie müsste ich dann in der Praxis handeln?

Attitude-Behaviour Gap

Auch in der Arbeitswelt funkt uns die Attitude-Behaviour Gap dazwischen. Der eklatante Unterschied zwischen unseren eigenen Überzeugungen und unserem Handeln, unseren Entscheidungen. Gerade in Changeprozessen kommt es immer wieder gerne vor, dass wir uns selbstbestätigend und vergewissernd im Blick auf die einenden Werte gegenseitig auf die Schultern klopfen und uns in unseren Ansichten darüber, dass sich jetzt wirklich etwas ändern sollte, bestätigen. Dann fühlen wir uns wohl und im Einklang mit all unseren Schulterklopferfreund*innen und können zu Hause am Schreibtisch einfach genau das gleiche machen, wie die anderen: So weiter wie immer. Weil im Grunde wissen wir ja …. Aber in den Niederungen des Alltags, in der harten Konkretion von Umwälzungen, da wird eine Haltung, die nur ein Lippenbekenntnis ist, bitter. Wie aber komme ich von den Werten, von den Überzeugungen zum kongruenten Handeln? Wie schaffe ich es, dass ich so eine gute Führungskraft werde, wie ich glaube, zu sein? Dass ich ins Gestalten komme und nicht auf dem „wie immer halt“ sitzen bleibe?

Hinter der Haltung steckt harte Arbeit

Naja, Du ahnst es – das wird kein Zuckerschlecken. Ich muss mir selbst auf die Spur kommen. Auf die Lücken und Widersprüche zwischen Überzeugung und Handlung aufmerksam und ehrlich sehen. Das geht manchmal mit gesunder Selbstwahrnehmung schon ein paar Schritte weit. Die meisten von uns haben ein sehr gutes Gespür dafür, wo die inneren unüberbrückbaren Canyons liegen. Noch direkter funktioniert es über ehrliches Feedback – wobei die Kunst darin liegt, EHRLICHES Feedback zu bekommen. Da hilft es, konkret zu fragen: „Sag mal, Hans-Jürgen, ich möchte ja in meiner Kommunikation XY – ich glaube, ich schaffe das nicht immer – kannst Du mir helfen und eine Situation zeigen, in der es mir nicht geglückt ist?“ Aber Achtung: Töte nicht den Überbringer der schlechten Nachricht!

Babysteps

Nicht nur Physiotherapeuten und Musiklehrer*innen wissen, dass die Einübung einer körperlichen und handlungsrelevanten Haltungsänderung am besten durch konsequente unterstützende kleine Schritte funktioniert. Eigentlich ist das überall gleich: im Körper, im Geist oder auch in einer Organisation.

Wenn Du also möchtest, dass Deine Handlungen Deine Überzeugungen wirklich spiegeln, dann fang mit einem konkreten Anlass an – alles auf einmal führt nur in Frustration.

  • An welchem Punkt sollen Deine Mitmenschen, soll Dein Team in Zukunft merken, dass Du Haltung zeigen kannst?
  • Woran können Sie das erkennen?
  • Wie werden sie und wie wirst auch Du innerlich anders reagieren?

Male es Dir aus, etabliere eine eigene kleine Checkroutine und dann setz es um. Mach es einfach in Zukunft so, wie es Dir entspricht. Jedes Mal ein kleines bisschen mehr. Zeig Deine Haltung.

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