Was habe ich mir geschenkt?

Seit März 2020 war ich auf keiner einzigen Dienstreise

Davor war ich im Schnitt einmal pro Woche unterwegs. Quer durch Deutschland. Zwar fast immer mit der Bahn, aber auch mit viel zeitlichem und energetischem Aufwand. Ein Termin in Berlin bedeutete oft, zwei Tage unterwegs zu sein. Zwei Tage nicht zu Hause, zwei Tage die liebsten Menschen nicht zu sehen. Aber auch zwei Tage weg vom Schreibtisch, raus aus den alltäglichen Abläufen. Es waren zwei Tage, die anders waren, bei denen ich neue Impulse bekam. Ich habe andere Leute ganz echt getroffen, und sie dabei nicht nur gesehen sondern mit allen Sinnen wahrgenommen. Ich war in einer anderen Umgebung und habe dadurch zwangsläufig immer mal wieder die Perspektive gewechselt.

Seitdem arbeite ich sehr häufig zu Hause

Ich muss nicht mehr vor die Tür. Wenn es regnet, werde ich nicht nass. Wenn es kalt ist, habe ich es trotzdem warm. Die Widrigkeiten des Alltags beschränken sich auf die Frage nach der stabilen Internetverbindung, der funktionierenden Technik. Aber auch: Auseinandersetzungen, Konflikte und Unfertiges bleiben Zuhause und nicht im Büro. Auch nach Feierabend ist der Arbeitsplatz ganz nah. Den Abstand zum beruflichen Handeln muss ich nun anderes herstellen. Perspektivenwechsel muss ich sehr bewusst wollen und mich auf Diskussionen und Gespräche, trotzdem sie „nur digital“ sind, echt einlassen. Es fällt ja so leicht, nebenher was anderes zu machen und eben nicht 100%ig dabei zu sein. Dabei aber die echten Begegnungen und den realen Austausch vermisst.

Entstanden ist daraus eine Erkenntnis

Nicht für jedes Meeting ist es nötig, hunderte von Kilometern zu fahren, aber echte Begegnungen und Beziehungen entstehen eben doch nur bei realen Begegnungen, bei denen wir Menschen uns mit allen Sinnen wahrnehmen können. Wie wertvoll diese echten Begegnungen sind, das wird jetzt erst so richtig spürbar. Ich werde sie in Zukunft noch mehr schätzen.

Geschenkt bekommen habe ich Zeit zu Hause und auch mehr Zeit in meiner Umgebung. So konnte ich den Wechsel der Jahreszeiten bei ausgiebigen Spaziergängen und Radtouren in den Weinbergen, den Feldern und im Wald intensiv erleben. – Auch das: wie noch nie.

Claudia Seibold, Referentin BAG EJSA, Mitglied im Josefstaler Beirat

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