Wahrnehmung schärfen, Freiraum lassen – Neues und die Theorie U

Was Neues mit unserer Wahrnehmung und bewährten Mustern zu hat und welche Rolle Freiräume spielen, in denen sich plötzlich Unerwartetes ereignet – darüber schreibt in dieser Woche Markus Merz, Beauftrager im Studienzentrum für Kommunikation und Spiritualität:

„Ich bin Markus Merz. Und ich bin vieles: Familienmensch, Gemeindepfarrer, Christ, Supervisor, Beauftragter im Studienzentrum Josefstal und so manches mehr. Vor ein paar Jahren bin ich in einem Vortrag auf die Theorie U gestoßen. Da hieß es, dass die Theorie U Veränderungsprozesse in die Tiefe führt. Das hat mich gereizt. Mir ging es um Veränderung. Nur wie?

Veränderung heißt genau genommen gar nicht Veränderung, wie auch das Neue nicht immer neu sein muss. Genau genommen geht es um Hinschauen und Einüben einer anderen Wahrnehmung. Es hat etwas mit mir zu tun: Was sind meine Muster, meine alten Witze und meine gut eingeübten Vorurteile? In der Theorie U wird dies „downloading“ genannt, das unreflektierte Wiederholen von Stereotypen. Wenn ich wirklich etwas verändern möchte, braucht es ein erneuertes Sehen.

Als Christ meine ich: Ein solcher veränderter Blick hat etwas mit dem Geist Gottes zu tun. In einem alten Gebet heißt es: „Gib gesunde Augen, die was taugen, rühre meine Augen an“ Ein Geistwirken, für das wir uns öffnen können. Die Theorie U kann wie ein Geländer zu einem solchen Öffnungsprozess sein.

Oft genug verbinden wir mit dem Neuen ja so etwas wie eine Bestellung. Wir sagen, wie wir dieses oder jenes gerne hätten. So ähnlich könnten auch Gebete missverstanden werden. Wenn dann das Bestellte zufällig genauso eintrifft, nennen wir es Gebetserhörung. Für Gott muss das wie ein Fremdschämen sein. Das muss doch für Gott ganz unangenehm sein, wenn wir selbst uns wie Gott verhalten. Denn nicht wir schaffen Neues, sondern Neues ereignet sich.

Damit Neues sich ereignen kann, braucht es Praktiken des Unterbrechens. Was im klösterlichen Leben die Stundengebete sind, kann an einem anderen Ort das Hinausgehen in die Natur oder auch die Unterbrechung einer belebenden Dusche sein, kann sich ereignen im Rahmen von Igantianischen Exerzitien oder in der Bereitschaft, sich auf unerwartete Weise aufhalten und unterbrechen zu lassen.

Deshalb denke ich: Wir sollten uns lustvoll auch Unfertiges mitteilen. Miteinander ins Unreine reden und wissen, dass der andere mich nicht festnagelt. Neues braucht Lernschleifen. Es gelingt ja nicht gleich alles. Dann versuchen wir es eben noch einmal. Oder wir lassen es bleiben und sagen zu uns selbst: Nimm du dich mal nicht so wichtig. Das Neue ist dann wie ein Prozess des Hinschauens und des Ausprobierens und des Zulassens.“

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