Vorausgegangen. Zum Tode von Christine Tröger

Ein Zuruf zum Tode von Christine Tröger
Dozentin des Studienzentrums von 1999-2002

„Als ich 1989 als Dekanatsjugendpfarrer in München begann, war Christine Tröger schon da. Sie fiel mir auf. Als gelernte Diplom-Sozialpädagogin hatte sie eine große Leidenschaft für Spiritualität und die Begleitung junger Menschen. Das war alles andere als selbstverständlich, aber bei ihr gehörte es grundlegend dazu. So entwickelten wir gemeinsam die Idee zu einem Osterseminar, das jedes Jahr im Tagungshaus der Evangelischen Jugend München stattfinden sollte. Zwischen Gründonnerstag und dem Ostermorgen erlebten wir zusammen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen vier intensive Tage, die wie in einem Brennspiegel einen Blick in das Innerste des Lebens warfen.  Auf das gemeinsame Fest am Gründonnerstag folgten die einsamen Nachtwachen zum Karfreitag und die Auseinandersetzung mit dem Leiden und Sterben Jesu am Karfreitag, gefolgt von unseren Vorbereitungen für die Osternacht.

Christine, die Menschenfischerin

Christine zog Jugendliche und junge Erwachsene an. Für beide Seiten ein unglaublicher Gewinn. Christine blühte auf, wenn sie mit Menschen arbeiten konnte, und diese dankten es ihr, indem sie mit ihren Fragen und Zweifeln bei ihr sich aufgehoben wussten. Wenn plötzlich beim gemeinsamen Osterfrühstück nach einer bewegenden Osternacht, zuhause gelassene Schulängste und damit verbundene Frustration oder Beziehungsfragen wieder hochkamen, dann war doch nichts mehr wie zuvor. Der Blick in eine andere Wirklichkeit war geworfen worden und sein Licht veränderte die Sicht auf das eigene Leben und das der anderen. Christine konnte Türen öffnen, weil sie auf Beziehung setzte, und Begleitung bot, die neue Perspektiven ermöglichte. So gesehen war der Weg nach Emmaus immer auch ein leibhaftiger Teil unserer Osterseminare. Denn die großen Fragen auf Leben und Tod sind zeitlos.

Mehrsprachig – auf vielen Ebenen

Als ich 2002 als Leiter des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit begann, war Christine Tröger schon vor mir da. Nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Masterstudium (Religion and Culture) in England arbeitete sie nun als Dozentin mit dem Schwerpunkt Interkulturelles Lernen im Studienzentrum in Josefstal. Zugleich wandelte sie damit auf den Spuren von Else Müller, die sie als Jugendliche in Nürnberg inspiriert und geprägt hatte. Wenn Christine von ihrer schwedischen Wahlheimat sprach, leuchteten ihre Augen, um jetzt selbst in das Erbe von Else Müller und ihre legendären ökumenischen Studienkurse einzutauchen. Als Mitglied des internationalen Vorbereitungsteam war sie in ihrem Element. Christine liebte die international-ökumenische Arbeit mit Menschen, die sie in vielen Jugendbegegnungen ihr Berufsleben lang suchte und erfolgreich durchführte.  Dabei half ihr, dass sie mehrsprachig war und dies im weitesten Sinne. Sie inspirierte und ließ sich inspirieren von einer vielseitigen Spiritualität, mit Bodenhaftung und weitem Horizont, den sie mit anderen teilen wollte und konnte. Wenn heute gestandene Pfarrer von „ihrer Jugendreferentin“ sprechen, wenn Frauen und Männer quer durch die unterschiedlichen Berufe, sich in Christine letzten Tagen in tiefer Dankbarkeit erinnern und verneigen für ihre Begleitung und Dasein, dann kann ich nichts dazu hinzufügen. Dies zu erleben – dank der Möglichkeiten der sozialen Medien – hat mich berührt und selbst dankbar an unsere gemeinsame Zeit zurückerinnern lassen.

In Gemeinschaft Hoffender

Zu diesen Erinnerungen gehört eine, die eng mit den Studienzentrum verbunden ist. Anfang der 1990er Jahre boten wir, gemeinsam mit dem Nagelkreuzzentrum Josefstal, eines unserer Osterseminare im Studienzentrum an. Am Ostermorgen teilten wir Brot und Wein und feierten am Ufer des Schliersees, auf dem sich das zaghafte erste Licht des Morgens spiegelte, das Mahl mit Jesus, dem Auferstandenen. Angesichts der vielen Stimmen voller Wünsche, Danksagungen und Gebete, die Christines letzte Tage begleitetet haben, war es für mich wie damals am See. Der Auferstandene mitten unter uns, in einer bunten Gemeinschaft sehr unterschiedlicher Menschen. Eine Gemeinschaft Hoffender und Vertrauender, die von Christine zeitlebens gebildet wurde, zu der sie gehörte und weiter gehören wird. Über den Tod hinaus, bis wir uns wiedersehen.

Christine Tröger wurde in den frühen Morgenstunden des 30.4.2021 zuhause in München von ihren Leiden erlöst. Sie ist uns im Alter von gerade mal 63 Jahren jetzt vorausgegangen.“

Rainer Brandt, Leiter des Studienzentrums 2002-2018

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