Evangelische Schüler*innenarbeit refinanzieren

Dass Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit in der Schule verbringen, ist kein Geheimnis. Aber natürlich kann auch evangelische Kinder- und Jugendarbeit in die Schule. Dazu braucht es aber attraktive Projekte vor Ort, die Schüler*innen begeistern und idealerweise von den Schulträgern refinanziert werden.
Um diese Projekte vor Ort zu entwickeln, finanziert die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern ab 2023 eine Arbeitsstelle vom Amt für evangelische Jugendarbeit in Bayern und dem Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit in Josefstal. Hier sind die wichtigsten Elemente des Projektantrags dokumentiert.

1.   Ziele

1.1 Ergebnisziel

Junge Menschen erleben begeisternde Kinder- und Jugendarbeit im Lebensraum Schule mit den Elementen von Freiwilligkeit, Mitbestimmung, Wertorientierung, Ehrenamtlichkeit und Persönlichkeitsbildung.

Am Ende des Projektzeitraums sind Verantwortliche in den Dekanatsbezirken, Schulreferaten, Verbänden und Gemeinden der ELKB davon überzeugt, dass evangelische Kinder- und Jugendarbeit sinnvoll den Lebensraum Schule mitgestalten kann und es staatlich refinanzierte Modelle gibt, wie Kirche (abgesehen vom Religionsunterricht) und gut vernetzt mit weiteren Akteuren im schulischen Kontext arbeitet.

1.2 Projektziele

An ca. 30 Orten in Bayern sind Projekte evangelischer Kinder- und Jugendarbeit im schulischen Kontext entstanden, die weitgehend staatlich refinanziert werden.

1.3 Projektleistungen

[Training] 30 Mitarbeitende evangelischer Kinder- und Jugendarbeit haben intensives Training in folgenden Bereichen erhalten:

  • Theologisches und pädagogisches Verständnis von evangelischer Kinder- und Jugendarbeit in und an Schule sowie in außerschulischen Kontexten
  • Projekt- und Konzeptentwicklung evangelischer Schüler*innenarbeit
  • Kommunikation und zielführende Gespräche mit kommunalen Verantwortungsträger*innen und Schulleitungen
  • Akquirieren kommunaler Drittmittel zur nachhaltigen Finanzierung der Arbeit
  • Bildung von ehrenamtlichen und nebenberuflichen Mitarbeitenden für die evangelische Schüler*innenarbeit

[Kollegiale Beratung und Motivation] In einer Gruppe von Menschen mit ähnlichen Aufgaben haben sich nachhaltige Strukturen gegenseitiger Unterstützung gebildet.

[Begleitung] Die Projekte werden in der Aufbauphase intensiv durch eine Fachperson begleitet.

[Analyse und Aufbau Expertise] Es wird landesweite Expertise zu refinanzierbaren Projekten evangelischer Schüler*innenarbeit aufgebaut, durch die detailgenaue Kenntnis von aktuellen Projekten und dem Handeln staatlicher Akteure.

[Erstellung von Material] Im Rahmen des Projekts wird auch weiter nutzbares Material zum Themenbereich erarbeitet.

[Aufbau eines ökumenischen Netzwerks von Verantwortlichen] Es werden Beziehungen zu Netzwerken von evangelischen und auch katholischen Akteuren geknüpft und gepflegt.

2.   Beschreibung der mit der Stelle verbundenen Aufgaben

Aufgaben der Stelle

  • Aufbau von Expertise zu refinanzierter evangelischer Schüler*innenarbeit
  • Begleitung und Koordination der Kohorten von Mitarbeitenden
  • Vorbereitung und verantwortliche Leitung der Kursmodule und der monatlichen Online-Treffen
  • Fachliche Begleitung der Projekte
  • Vernetzung mit römisch-katholischen Stellen
  • Zuarbeit zur landesweiten Verankerung von Refinanzierungsmodellen
  • Geschäftsführung der Projektgruppe aus Abt. C, D, RPZ, AfJ und Josefstal

3.   Begründung des Antrags

3.1 Bedeutung evangelischer Schüler*innenarbeit und Möglichkeit der Refinanzierung

Schule bestimmt in zunehmendem Maß den Alltag von Kindern und Jugendlichen – für die meisten ist Schule ein Vollzeit“job“[1]. Kirchliche Arbeit, die junge Menschen als Subjekte in ihrer Lebenswirklichkeit[2] ernst nimmt, kann sich also nicht nur auf eine Komm-Struktur in die Ortsgemeinde oder die Jugendverbandsarbeit setzen, sondern muss Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext begleiten.

Mit der Weiterentwicklung von Schule vom Lernort zum „Bildungs- und Lebensraum“ eröffnen sich neue Chancen der Mitgestaltung für die kirchlichen Akteure über den RU hinaus. Evangelische Schüler:innenarbeit begreift es als ihre Aufgabe, sich in die Gestaltung dieses von Pluralität geprägten Lebensraums mit ihrer profiliert christlichen Perspektive einzubringen. Vernetzt mit weiteren Akteuren eröffnet sie Freiräume an den Schulen und bringt insbesondere ihre außerschulischen Lernorte ein. Sie begleitet Schüler:innen in ihren Lebens- und Glaubensfragen und bringt junge Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen ins Gespräch. Sie sieht darin sowohl die Chance der Verständigung als auch der Profilierung. Der Beirat[3] „Kirche im Lebensraum Schule“ unterstützt mit seinen Handlungsempfehlungen ein verstärktes kirchliches Engagement in dieser Hinsicht.

Mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“ (GaFöG) wurde die Klärung des kirchlichen Beitrags um so dringlicher. Bis 2026 gilt im ganzen Bundesgebiet ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Ob in den entstehenden Konzepten Platz für einen kirchlichen Beitrag gibt, wird sich schnell in den nächsten Jahren klären. Der Bayerischen Verfassung zufolge müsste diese Möglichkeit allerdings im Freistaat geschaffen werden[4]. Der Landesjugendhilfeausschuss betont darüber hinaus die Bedeutung des Beitrags von Kinder- und Jugendarbeit für gelingende Ganztagsbildung. [5]

Ebenso wird sich auch klären, wie die erheblichen Finanzmittel verteilt werden, die der Staat auf allen Ebenen für ganztägige Förderung von Grundschulkindern aufbringen wird. Einen großen Teil der konkreten Finanzentscheidungen werden kommunale Sachaufwandsträger fällen – es gibt also keine zentralen Lösungen.

3.2 Strategie

Sowohl Dringlichkeit als auch die Komplexität der kommunalen Entscheidungen macht eine Doppelstrategie notwendig:

  1. Es braucht zentral abrufbare Expertise über theologische Grundfragen, pädagogische Konzepte, Mitarbeitendenbildung, Finanzierungsmodelle sowie kommunale Lobbyingkompetenz
  2. als auch eine Vielfalt von lokalen Experimenten und konkreten Modellen, die unmittelbar gelingende Beispiele von Jugendarbeit und Kirche im Lebensraum Schule aufzeigen können.

Die innovative Projektmethodik versucht diesem Anspruch mit geringem Ressourceneinsatz zu genügen.

3.3 Projektmethodik

Die Methodik folgt dem Modell des „Ideen-Beschleunigers“[6], die im kirchlichen Bereich bisher noch kaum genutzt wird.

Innerhalb von 12-18 Monaten bauen Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke oder Jugendverbände eine funktionierende und weitgehend staatlich refinanzierte lokale Schüler*innenarbeit auf. Die Erfahrungen aus dem Prozess werden gesammelt, systematisiert und wiederum zur Verfügung gestellt.

Die Methodik verfolgt folgende Ziele:

  • Kompetenzaufbau: Ausgehend von dem vorhandenen Vorwissen, werden die für die Aufgabe notwendigen Kompetenzen aufgebaut.
  • Kollegiale Motivation und Beratung
  • Unterstützung beim Aufbau lokaler kirchlicher Netzwerke zu Kirche im Lebensraum Schule
  • Gezieltes Lernen in der Gruppe
  • Wichtige Themen werden zentral systematisiert
  • Anliegen werden gegenüber wichtigen Bezugsgruppen vertreten (Landeskirchenrat, Staatsregierung, katholische Partner)

Dabei gibt es folgende Elemente:

  1. Eine Projektgruppe mit Beteiligung von RPZ, Abteilung C, Abteilung D, AfJ und Studienzentrum Josefstal leitet den Prozess.
  2. Das Studienzentrum Josefstal mit der Projektstelle übernimmt die Koordination und systematisiert das gemeinsame Lernen.
  3. 30 Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke bzw. Verbände bauen über Projekte lokal nachhaltig refinanzierte Strukturen evangelischer Schüler*innenarbeit auf.
  4. Der Prozess wird evaluiert und entsprechend verbessert.

Im Zentrum der Methodik steht eine Kohorte von zweimal ca. 15 Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke bzw. Verbände, die sich entschieden haben, nachhaltig finanzierte Schüler*innenarbeit im Zusammenhang mit Schulen ihrer Region anzugehen. Sie werden durch eine hauptberufliche Person in der Kohorte vertreten.

Die Projektestelle erbringt dabei folgende Leistungen:

  • Gemeinsame Präsenzphasen (ca. 10 Tage in 18 Monaten) mit Erarbeitung von Hintergrundwissen und Austausch.
  • Monatliche etwa halbtägige Videoworkshops
  • Zusätzliche Beratung, wenn nötig.

Die Teilnehmenden nutzen die 12 Monate, um alle Aspekte des lokalen Projekts weitgehend synchronisiert zu erarbeiten:

  • Theologische und pädagogische Grundentwicklung
  • Aufbau von lokalen Netzwerken mit den relevanten Bezugsgruppen (z.B. Ehrenamtliche, Schüler*innen, Schulreferaten, (Religions-)Lehrer*innen, Kommunalpolitiker*innen, Diakonie, EJSA, katholische Player usw.)
  • Partizipativ entwickelte Projektidee für die jeweiligen Bedürfnisse der Schüler*innen und Schulen
  • Aufbau von Finanzierungsmöglichkeiten mit den kommunalen Sachaufwandsträgern oder ggf. anderen Quellen.
  • Gewinnung und Fortbildung geeigneter beruflich oder ehrenamtlich Mitarbeitender

3.4 Zeitplan

Januar 2023 Beginn Projektstelle – Aufbau Netzwerk auf Landesebene, Kontakt zu katholischen Stellen, Kennenlernen funktionierender Schüler*innenarbeit in Bayern und darüber hinaus, Recherche zu Refinanzierungsmodellen, Vorbereitung Ausschreibung Programm, Beginn der Informationskampagne (Homepages, Newsletter, Konferenzen usw.).

März 2023 Bewerbungsstart der 1. Kohorte. Dekanatsbezirke, Kirchengemeinden und Verbände bewerben sich mit Grundidee und Entscheidung des Leitungsgremiums. Beratung von Antragsinteressierten, Motivation.

Mai 2023 Bewerbungsschluss – Auswahl und Information – Vorgespräche – Intensive Vorbereitung Programmabschnitte

September 2023 Start 1. Kohorte: Präsenztermine, Videotrainings, Begleitung

Januar 2024 Bewerbungsstart 2. Kohorte

April 2024 Auswahl 2. Kohorte

Juli 2024                      Abschluss 1. Kohorte

September 2024           Start 2. Kohorte

Januar 2025                Beginn Evaluationsarbeiten, Veröffentlichungen, Ergebnissicherung

Juli 2025                      Abschluss 2. Kohorte

Dezember 2025        Ende der Projektstelle

5.   Perspektive am Ende des Projekts

Die klaren Projektziele erlauben es, den Erfolg des Projekts genau einzuschätzen. So ist es möglich, dass es aus Sicht der Landeskirche bei erfolgreichem Projektvollzug sinnvoll und im Gesamtsystem kostengünstig erscheint, das Projekt zu verlängern, weil sich so refinanzierte kirchliche Arbeit entwickeln kann.

Gleichzeitig macht es die Projektmethodik auch möglich, das landesweite Projekt zum Abschluss einer Kohorte zu beenden, ohne das Erreichte zu gefährden.

Anmerkungen:

[1] Vgl. https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2012/schule-ist-vollzeitjob-fuer-kinder/14834

[2] Zielsetzung der evangelischen Jugend in Bayern gemäß Nr. 1 Abs. 1 Ordnung der Evangelischen Jugend in Bayern (OEJ, RS 901)

[3] Im Beirat vertreten sind die Abteilungen D und C im Landeskirchenamt, die diakonischen Werke, der Kita-Verband, die Evangelische Jugendsozialarbeit Bayern e.V., Dekan:innen, Schulreferent:innen, das Amt für evangelische Jugendarbeit, die Arbeitsfelder Ganztag und Schulseelsorge im Religionspädagogischen Zentrum der ELKB sowie der Arbeitsbereich Tage der Orientierung/Besinnungstage der Evang. Jugend in Bayern.

[4] Vgl. Art. 131 und Art. 133 der Verfassung des Freistaats Bayern

[5] Vgl. Zwischenruf des bayerischen Landesjugendhilfeausschusses vom 25.10.2021: https://www.blja.bayern.de/imperia/md/content/blvf/bayerlandesjugendamt/zwischenruf_ganztag.pdf

[6] „Start Up Accelerator“.

Bildnachweis: Photo by CDC on Unsplash

Ähnliche Beiträge

X