Mach’s falsch – aber richtig!

 

 

Wer mehr Fehler zugibt, trägt dazu bei, dass insgesamt weniger Fehler gemacht werden. Das klingt auf den ersten Blick ziemlich paradox. Selten sowas dämliches gehört – Wie soll das denn gehen? Mein erster Impuls, als ich in einem bekannten Magazin für Manager und Führungskräfte diese Botschaft las ging eher in die Richtung:

Ja, klar, ne – und draußen ist’s nachts kälter als dunkel!

Ein wenig veräppelt kam ich mir schon vor. Zähle ich mich doch eher zu den Menschen, die versuchen, eher weniger Fehler zu machen und qualitativ mindestens gute Arbeit abzuliefern. Beim zweiten Lesen hat es dann schon eher geklickt – das BlumentoPferde Syndrom. Achte auch die kleinen Details! Da stand jetzt halt nun mal nicht, wer mehr Fehler macht, sondern, wer sie mehr zugibt. Und das ist prozentual gemeint. Einen größeren Anteil an wirklich gemachten Fehlern zugeben – nicht mehr Fehler produzieren um sie dann glorreich und als Opfer auf dem Altar der Teamkultur tränenreich eingestehen. Ok, na gut – ich hab dann mal weitergelesen, weil DANN könnte ja doch was dran sein.

Offene Fehlerkultur meets Psychologische Sicherheit

Tatsächlich haben sich aber Forscher*innen der Justus-Liebig Universität daran gemacht, genau diesen Zusammenhang zu belegen. Sie fragten sich: Wie kann es sein, dass eine sogenannte offene Fehlerkultur nicht nur dazu beiträgt, dass die Mitarbeitenden sich irgendwie wohler fühlen, sondern sich eben sogar leistungs- bzw. effizienzsteigernd auswirkt? Zunächst ist es mal hilfreich, zu sehen, was eigentlich eine solche offene Fehlerkultur kennzeichnet. Kurz gesagt: Es geht in erster Linie darum, dass man sich in einer solchen Kultur leichter trauen kann, zuzugeben, einen Fehler gemacht zu haben. Es geht also – wie so oft – vor allem um die psychologische Sicherheit im Team.

Letztlich beschreibt diese das persönliche Vertrauen dahinein, auch auf der Arbeit Mensch bleiben zu dürfen. Und zwar ohne für menschliche Macken und Versagen durch Ausschluss aus der Gemeinschaft, Geringschätzung, Häme, etc. sichtbar oder unsichtbar abgestraft zu werden. Menschliche Macken wären dann sowas wie

  • einfach mal nicht perfekt sein,
  • den Workload gerade mal nicht zu schaffen,
  • etwas nicht sofort zu wissen,
  • einen Termin AUSNAHMSWEISE mal zu verpennen,
  • Emotionen und Stimmungen zu haben,
  • sich zu bemühen und manchmal dennoch zu scheitern…

Wenn ich sicher sein kann, dass ich durch solche Dinge nicht „mein Gesicht verliere“ sondern möglicherweise sogar Unterstützung erfahre, dann bin ich in einem Klima psychologischer Sicherheit geborgen.

Gut für mich – noch besser fürs Team

Angenehmer Nebeneffekt ist dann eben auch, dass andere und ich selbst aus diversen Fehlentscheidungen oder Versäumnissen lernen können  – eben weil sie nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Die Forscher*innen in Gießen kamen zu dem Schluss, dass die häufigsten Fehlerquellen – neben persönlichen Schusseleien und Informationsdefiziten – Entscheidungsverzerrungen sind. Heißt, ich urteile und entscheide allein aufgrund meiner eigenen Gedanken, Einstellungen, Werte und Erfahrungen und nun ja, wie soll ich sagen – die sind halt nicht umfassend und perfekt. Ein Mensch bleibt immer nur ein Mensch.  Habe ich dann mal den Karren in den Dreck gefahren und merke vielleicht sogar, dass ich daran nicht ganz unbeteiligt war, kommt eine Mischung aus Scham, Trotz und Uneinsichtigkeit daher und zieht den großen Teppich darüber – wenn die Kultur nicht findet, dass das nicht nötig ist. Bei genug psychologischer Sicherheit, offener Fehlerkultur, kann ich sagen: „Mensch, da hab ich jetzt ’nen Bock geschossen. Ich hab XY… Das wird mir hoffentlich so schnell nicht wieder passieren!“

Und alle die es hören und mit mir darüber sprechen sind gleich mitgewarnt. Durch solche Feedbackmechanismen werden gängige Fehlerquellen – wie diverse kognitive Entscheidungsverzerrungen schlicht reduziert. Der Erfahrungsschatz im gesamten Team wächst, Informationen werden geteilt und alle sind auf viele Eventualitäten besser vorbereitet. Auf Dauer treffen wir so bessere Entscheidungen, unterstützen uns in schwierigen Momenten gegenseitig und machen eben weniger Fehler, wenn wir mehr davon zugeben können.

Ende gut – alles gut

Wenn wir es also schon unvermeidlicherweise ab und an verbocken – dann aber richtig! Viel Spaß dabei!!

 

 

Wer nachlesen möchte: ManagerMagazin 09/2022

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