Ziel: Konsens / Meeting: Zieht sich ewig!!!
Im sozialen Sektor sind wir oft bedacht darauf, dass Entscheidungen von möglichst allen mitgetragen werden. „Ist das so Konsens?“ Die Frage wabert endlos durch den Besprechungsraum und läutet die nächste Runde ein im endlosen Ringen um die gute Entscheidung. Da wird argumentiert, Ohrläppchen gekaut, unter vier Augen nochmal gesprochen, bezirzt und belabert, damit ER endlich sich einstellen möge: Der Konsens! Wir sehnen ihn herbei, flehen nach ihm als gäbe es kein „ohne“.
Ja aber, ist das nicht gut?
Ist das nicht toll? Wir hier im sozialen Bereich, wir achten eben aufeinander. Wir wollen, dass „alle im Boot“ sind, dass no Sozialpädagoge is left behind! (Bitte ersetzt in Gedanken durch jede beliebige andere Berufsgruppe!!)
Ja, das ist schon gut. Also. Eigentlich ist das gut. Aber halt auch nicht immer. Nicht um jeden Preis. Ich kann ein Lied davon singen. Ich sitze immer wieder in Meetings und Besprechungen, in denen hochmotivierte Menschen mit den besten Zielen zusammenkommen und sich nicht einigen können. Wieder und wieder nicht. Und ehrlich gesagt ist es egal, ob die Gründe dafür im Besitzstandsstreben, in persönlichen Animositäten oder strategischem Kalkül liegen. Unsere konsenssüchtige Kultur ermöglicht es, dass einzelne spielend ganze Teams und Organisationen lahmlegen, dass gute Ideen niemals auch nur ausprobiert, vielleicht nicht mal gedacht werden. Wir werden erpressbar, weil wir viel zu viel aufgeben, um den Konsens zu erreichen.
Wenn Du solche Situationen kennst, dann ist es möglicherweise Zeit, etwas anders zu machen. Wie anders?
Es gibt eine Welt jenseits des Konsens. Und – gute Nachricht! Sie kann uns helfen in Klarheit Entscheidungen zu treffen, Dinge voranzubringen und Ergebnisse zu erzielen. Tatsächlich gibt es sogar einige verschiedene Modell in schwierigen Pattsituationen dennoch zu Lösungen und Entscheidungen zu kommen. Aber weil wir uns ja so schwer vom Konsens trennen können, fangen wir klein an und ändern nur einen einzigen Buchstaben.
Aus der Soziokratie kommt das Entscheidungsprinzip des KonsenT und ist dort die gute Alternative zum Konsens.
Wo liegt der Unterschied? Kurz gesagt – Konsens bedeutet die vollständige Übereinstimmung mit der Lösung. Konsent hingegen beschränkt sich darauf, eine Lösung zu finden, die keine ernsthaften Widerstände bei den Beteiligten hervorruft.
Wie kommt man da hin?
Der erste Schritt Richtung Konsent ist in der Regel ein Lösungsvorschlag, über den nicht einfach entschieden wird, sondern der in mehreren Diskussionsrunden weiterentwickelt und geschliffen wird. So weit, bis schließlich alle – vielleicht auch noch mit ein klein wenig Zähneknirschen, aber dennoch hörbar zustimmen: „Damit kann ich leben.“
Wichtig dabei ist, dass in den einzelnen Runden wirklich alle, die am Tisch sitzen zu Wort kommen. Damit das der Fall ist, ist es hilfreich, eine*n Moderator*in dabei zu haben, der möglichst wenig selbst im Thema involviert ist. So kann Rollenklarheit gewahrt werden.
Klassischerweise teilen sich die Diskussionsrunden wie folgt auf:
Informationsrunde
Der Vorschlag wird eingebracht und mit den relevanten Fakten dargestellt. Zahlen, Daten, Hintergründe werden erklärt und jede*r hat Gelegenheit, Verständnisfragen zu stellen.
||: Meinungsrunde :||
Geschenke! Jede*r in der Runde stellt die eigene Meinung, Ängste, Widerstände, Hoffnungen und Erwartungen im Umfeld des Vorschlags der Gruppe zur Verfügung. Die offene, willkommenheißende Haltung der Runde ist dabei wichtig und wird aus der Moderatorenrolle immer wieder gestärkt. Jede Äußerung hilft dabei, den Lösungsvorschlag besser zu machen. Kritik ist willkommen!
Vorschlagsrunde:
Unter Zuhilfenahme aller Geschenke wird nun aus dem Vorschlag der ersten Runde etwas Neues. Letztlich indem mit Unterstützung der Moderation der ursprüngliche Vorschlag jeweils angepasst, ergänzt, geändert wird. Mit Säge, Raspel und letztlich Feile entsteht dann hoffentlich ein Lösungsentwurf, der gute Chancen hat…. Wenn es so weit ist, geht es in die letzte Runde:
Entscheidungsrunde:
Jetzt wird es spannend, denn hier unterscheidet sich das Vorgehen dann doch von unserem allseits beliebten Suchen nach dem Konsens. Denn nun lautet die Frage nicht „Können dem alle so zustimmen?“ oder gar „Sind damit alle einverstanden?“ sondern vielmehr wird danach gefragt, ob es einen schwerwiegenden, nicht tolerierbaren Einwand im Hinblick auf den in der Vorschlagsrunde formulierten Lösungsentwurf gibt. Ist die Runde zuvor gut gelaufen, wird es keinen geben – so viel sei schon mal gesagt. Und falls doch, dann werden diese Einwände geprüft:
Was genau ist der schwerwiegende Einwand? Gibt es seitens des Vorbringenden Lösungsvorschläge? Ist der Einwand wirklich schwerwiegend? Wenn der Vorschlag weiterentwickelt wird, gibt es dann die Möglichkeit zum Konsent?
Du siehst, das Konsent Prinzip ist noch nah dran am Konsens – vielleicht mag ich es deshalb so gerne, schließlich bin ich auch Pädagogin…. Aber es bringt eine Prise Realpolitik dort hinein, wo endlose Diskussionen um ihrer selbst willen geführt werden. Also nur Mut: Probiert es aus und schreibt gerne Eure Erfahrungen….