von Florian Wenzel
Fließende Übergänge schaffen
Während im Präsenzseminar Menschen langsam ankommen, in Grüppchen zusammenstehen, sich vielleicht neugierig beobachten und ihren Platz im Raum suchen, beginnen virtuelle Seminare oft sehr ‚hart‘ – mit dem Einschalten des Systems wird ohne Anreise, Einrichten des Zimmers oder einem Empfang an der Rezeption ein formalisierter technischer Bildungszusammenhang jenseits der individuellen physischen Präsenz im Raum geschaffen.
Versuchen Sie deshalb, möglichst fließende Übergänge zu ermöglichen. Schon vor dem Seminar können Sie mit dem Einladungslink die Möglichkeit eröffnen, sich mit ein paar Zeilen und einem Bild persönlich vorzustellen. Hier eignet sich ein ‚padlet‘ sehr gut – dort sollten Sie auch in ‚Vorleistung‘ gehen und sich selbst persönlich und professionell darstellen und auch ‚Poster‘ für Ihre Teilnehmenden einrichten; es besteht dort auch die einfache Möglichkeit, direkt mit der Webkamera ein kleines Begrüßungsvideo mit direkter Ansprache Ihrer Teilnehmenden zu erstellen.
Eine Erinnerung, sich das padlet anzusehen und ggf. zu ergänzen, sollte ca. 3 Tage vor dem Seminarbeginn versendet werden. Öffnen Sie den Konferenzraum mindestens 30 Minuten vor dem offiziellen Seminarbeginn und laden Sie aktiv ein, zu informellem Austausch dazu zu kommen. Sie können hier auch schon Kleingruppenräume öffnen, in denen sich die jeweils Ankommenden in kleinen Gruppen austauschen. Auch hier besteht natürlich noch die Möglichkeit, das eigene Profil auf einem padlet zu ergänzen. Heißen Sie Teilnehmende mit einem Begrüßungsplakat hinter sich willkommen – auf einem Flipchart, an einer Wand oder an einen Stoff gepinnt. Sie können auch ein Bild etwa eines Seminarraums oder eines gemalten Stuhlkreises einblenden und die Ankommenden einladen, sich einen Platz auszusuchen, zu dem sie jeweils den Namen schreiben. Eine fortgeschrittene Version ist, mittels einer zweiten Kamera einen tatsächlichen weiteren physischen Raum zu eröffnen, wo Namenskärtchen im Kreis die jeweils Anwesenden markieren, vielleicht die Möglichkeit besteht, dass die Ankommenden sich ein Symbol oder einen Gegenstand aussuchen, den sie sich zuordnen möchten – ein guter Anlass für spätere Vorstellung. Auch vor der Einteilung von Kleingruppen können Sie diesen Raum als weichen Übergang verwenden, um etwa Namensgruppen zusammenzustellen und dann in die virtuellen Räume einladen.
Am Ende eines Seminartages oder des Seminars insgesamt lassen Sie ebenfalls 30 Minuten Zeit, damit möglicherweise noch informelle Gespräche im Plenum oder auch Kleingruppen entstehen können. Bei mehrteiligen Seminaren bietet sich auch an, dezidiert einmal auf ein informelles Treffen mit einem Getränk zu einem Extratermin abends einzuladen, um unmoderiert ins Gespräch zu kommen. Nach einem einzelnen vollen Seminartag sich noch abends wieder ‚informell‘ an den Rechner zu setzen, erfordert allerdings viel Energie und Eigeninitiative.
Neue ganzheitliche Wege: spatial.chat
Es gibt inzwischen zahlreiche neue technische Lösungen, die die ‚Starrheit der Kacheln‘ von Videokonferenzen auflösen und damit ein individuell wesentlich flexibleres und intuitives Bewegen im Raum ermöglichen. Damit ist die umfassende Integration informeller Seitengespräche und informellen Austauschs auch jenseits des offiziellen Seminarraums als zusätzliche Begegnungsebene sehr gut möglich. Eine erprobte Variante wird hier vorgestellt: das zypriotische (spatial.chat) funktioniert ohne eigene App und wird mit dem Google-Browser Chrome oder dessen gleichwertiger Open-Source und datensparsamer Version Chromium ideal unterstützt.
Im System bewegt man sich in einem Kreis mit der eigenen Bildansicht vor einem Hintergrund, der beliebig eingerichtet werden kann. Nähert man sich anderen Personen, hört man diese lauter (spatial.chat) und kann mit ihnen unmittelbar in selbstbestimmten Gruppen sprechen. Die Moderation kann ein Megaphon benutzen, um für alle jederzeit hörbar zu sein. Es lassen sich zusätzlich reine Audioräume einrichten und auch eine ‚Bühne‘, auf der wie auf einem Podium mit größerer Ansicht mehrere Personen für ein Publikum präsentieren können.
Die Moderation und Teilnehmende können Bilder und Videos einspielen, einen Chat nutzen und in spatial.chat auch verschiedene Räume betreten. Damit sind unterschiedlichste gestalterische Möglichkeiten für informellen Austausch bis hin zu Seminaren denkbar, die wie in Präsenz formelle und informelle Aspekte vereinen – etwa durch einen Stuhlkreis von oben, in dem alle Platz nehmen und Inhalte am Rand auf einer ‚Wand‘ eingespielt werden. Der Vorteil ist die durchgehende Präsenz Aller in einem Raum – sämtliche interaktive Übungen können so an einem Ort stattfinden.
Das folgende Beispiel aus spatial.chat zeigt einen Seminarort, an dem ein Seminar hätte statt finden sollen. In den Garten wurden 3 virtuelle Stellwände gestellt, zu denen sich Teilnehmende bewegen und austauschen können – bei weiter entfernten ‚Orten‘ ist es möglich, das Bild zu vergrößern.
Und hier ein paar weitere Beispiele, zur Einbindung verschiedener Medien und informeller Räume.