House of Change

Ja diese Sache mit den Veränderungen. Gerade in den letzten Jahren finde ich ja, dass es eigentlich reichen würde. Ich sehne mich nach Ruhe und Unveränderlichkeit, danach, dass Dinge einfach mal so klappen und funktionieren, wie immer. Oder zumindest so, wie ich es geplant hatte. Pustekuchen. Das Leben spielt so nicht. Und zur Zeit schon gleich gar nicht.

Eines habe ich neu gelernt

Bei all den Krisen und dringenden Handlungsbedarfen von Anpassung des Personalwesens über missglückte Kindergeburtstagsfeiern in Pandemie-Online Welten bis zu Krieg in Europa habe ich aber doch eines neu verstanden. Anders und tiefer verstanden als bisher. Nämlich warum die klassischen Changekurven ganz zu recht aus den klassischen Kurven der Trauerentwicklung entwickelt wurden. Es geht halt schlicht ums Abschiednehmen. Abschiednehmen von bewährten Denkmustern, von liebgewonnenen oder eben existenziellen Sicherheiten. Von „Natürlich ist das so!“, „Hab ich schon immer so gemacht.“ und „Ich kann nicht ohne!“ Und zwar gar nicht so im Marie Kondo Style „it doesn’t spark joy anymore….so sorry“ sondern sehr viel konfrontativer. Die Unausweichlichkeit der Veränderung und derzeit auch die schiere Menge an solchen Herausforderungen zur gleichen Zeit erklärt, warum das Ganze so emotional, so lähmend, so hart und zugleich so energievoll und chanceneröffnend ist. Es zieht uns schlicht den Boden unter den Füßen weg – und damit die Kontrolle über die Situation.

Keine Zeit für Change-Lektüre

Wer jetzt keine Lust hat, sich durch all die Trauerphasen Literatur zu schmökern oder dicke Changemanagementwälzer zu verschlingen, weil er oder sie gerade die Welt retten, eben Kuchen backen oder agiles Denken im Unternehmen implementieren muss, der kann auch einfach einen kurzen Blick auf das „House of Change“ werfen.

Claes Janssen hat es aus den klassischen Trauerkurven entwickelt. Mit seiner etwas vereinfachteren Herangehensweise finde ich es ziemlich erhellend, wenn es darum geht, einzuschätzen, wo sich Einzelpersonen oder Teams gerade befinden in ihrer Konfrontation mit dem Unausweichlichen: Der Veränderung….

Vier Zimmer für Veränderungsmanagement

Zimmer der Zufriedenheit

Im ersten Zimmer ist noch alles eitel Sonnenschein. Als „Zimmer der Zufriedenheit“ ist es Ort der Komfortzone. Hier kennt man sich aus, die Welt ist noch in Ordnung. Muster, Regeln und Traditionen funktionieren und das Weltbild ist stabil. Auch wenn vielleicht schon durch das ein oder andere Fenster zu erahnen ist, dass sich da möglicherweise was zusammenbraut… das kann man von der Komfortzonencouch aus der eigenen sicheren Position heraus noch weglächeln. „Betrifft uns (noch) nicht und wenn, dann wird es schon nicht so schlimm sein.“ Der Veränderungsdruck mag wachsen, aber die Ignoranz ist mächtig. Man kann erstmal so weitermachen und auch gern mal andere, die schon in einem der nächsten Zimmer sind, als Panikmacher*innen bezeichnen. Ihnen zuzuhören hieße ja, sich von der Couch bewegen zu müssen. Das wäre unbequem…

Aber wie Fridays for Future den schönen Satz prägten „Change is coming, wether you like it, or not!”

Zimmer der Ablehnung

Irgendwann ist er da, der Moment, an dem die Realität der Veränderung nicht mehr zu leugnen ist. Manchmal sehr plötzlich, manchmal durch schleichende Erkenntnisprozesse. Das ist die Schwelle ins nächste Zimmer: Das Zimmer der Ablehnung. „Jemand hat uns die Couch geklaut! Das geht ja mal gar nicht!“ Verunsicherung, Angst und auch Wut nehmen sich Raum. Es werden Schuldige gesucht oder darüber lamentiert, dass früher aber mehr Lametta war. Manche beginnen auch, Kooperation zu verweigern – laut oder leise. Gerade in Organisationen und hier besonders in den mittleren Ebenen regen sich Widerstände (Darüber hatte ich hier schon einmal ausführlicher geschrieben) auf verschiedene Arten. Wer Widerstand leistet – egal ob aktiv oder passiv – der tut immerhin etwas. Es gibt uns ein klein wenig das Gefühl der Kontrolle zurück, wenn wir einen Schuldigen anklagen oder eben einfach dagegen sein können und Kooperation verweigern. SUV fahren mit Stolz geschwellter Brust, Billigfleisch vom Discounter auf dem teuren Grill – ein bisschen klischeehaft aber allzu oft allzu wahr.

Nach einer Weile sickert aber eine weitere Erkenntnis durch: Eine Veränderung ist wirklich unvermeidbar.

Das Zimmer der Verwirrung

Jetzt kann die echte Trauer kommen. Wir haben in der Tat etwas verloren. Ein „Neues“ gibt es so noch nicht. Die ungefüllte Lücke löst Frustration aus. Etwas fehlt und zugleich ist das Loch noch nicht geflickt. Das schmerzt. Es gibt noch keinen funktionierenden Workaround – da ist noch immer die Gasheizung im Keller, aber der Hahn ist zu. Das ist chaotisch und schon wieder nicht gut zu kontrollieren. Alte Verhaltensmuster funktionieren nicht mehr. Und irgendwann kommt der Tiefpunkt. Wir wissen einfach nicht mehr weiter, sind traurig über den Verlust und zugleich frustriert über den Mangel an Ideen für eine Zukunft….Das Zimmer der Verwirrung kann uns nahe an oder in eine Depression führen, zumindest aber auf den Boden der Tatsachen.

 

Das Zimmer der Erneuerung

Sehen wir’s so: Der Boden der Tatsachen mag nicht schön sein, aber er bietet immerhin wieder eine andere Art von Halt. Und auf dem  kann man wieder stehen, aufstehen sogar. Und wenn das gelingt, findet man sich auch schon im letzten Zimmer wieder: Dem Zimmer der Erneuerung. Kleine Änderungen werden einfach mal probiert. Es entwickeln sich neue Verhaltensweisen und Sicherheiten. Strukturen entstehen und werden getestet. Erste kleine Erfolge zeigen sich. Es ist ein geklärtes, reiferes und auch ein demütigeres Vorgehen als zuvor. Wir haben eine lange Reise hinter uns und sehen die Welt jetzt mit anderen Augen. Aber wir sehen eben auch die anderen Möglichkeiten. Die, die es dennoch noch gibt. Die, die wir wagen können. Die, auf die wir vertrauen können.

 

Was kannst Du mit diesem Modell tun?

Zunächst einmal, kannst Du verstehen, was passiert. Du kannst Verständnis für Dich aber auch für Dein Team, für andere gewinnen. Vielleicht sind sie in einem anderen Zimmer und brauchen dort noch ihre Zeit….

Mit dieser Erkenntnis erlangst Du selbst wieder ein Stück Kontrolle über die Situation. Du kannst Dir und anderen bewusst mehr Zeit geben. Und natürlich kannst Du Dein Leitungsverhalten entsprechend Deinen Erkenntnissen anpassen und versuchen, den Übergang ins jeweils nächste Zimmer anzubahnen. Nur eines geht nicht: Andere ins nächste Zimmer tragen – gehen muss jede*r den Weg für sich selbst…

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