Roger Schmidt, Leiter des Studienzentrums, hat zum zweiten Advent ein paar Gedanken geteilt:
Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. (Jes 43, 1)
Mir hilft die Unterscheidung zwischen Furcht und Angst , die der dänische Philosoph Sören Kierkegaard eingeführt hat. Furcht ist Angst vor etwas Bestimmten. Angst dagegen ist möglich, ohne sich auf etwas bestimmtes zu beziehen. Angst ist ein Grundmodus der Existenz.
Für mich hat dieses Verständnis sehr praktische Bedeutung:
Furcht ist ein wichtiges Gefühl, weil es aufmerksam dafür macht, wo man vorsichtig sein muss.
So ist zu hoffen, dass die Bergsteigerin Furcht oder, wie man auch sagt, Respekt vor dem Berg empfindet. Dieses Gefühl setzt sie dann in eine bessere Vorbereitung um: Besseres Training, geprüftes Material, Achten auf das Wetter. Auf diese Weise lässt sich Furcht managen, das Risiko zwar nicht eliminieren, aber senken.
Nicht anders ist es auch in der Leitung des Studienzentrums: Auch hier gilt es die Sorge, dass etwas schiefgehen könnte, in mehr Vorbereitung und Sorgfalt umzusetzen, um erkannte Risiken zu minimieren.
Angst ist anders. Da sie sich auf nichts Bestimmtes richtet, lässt sie sich auch nicht organisieren und managen.
Es gibt diese unbestimmte Angst vor der Unsicherheit, dem Nicht-Genügen, der Einsamkeit, dem Tod. Das Zitat aus Jesaja, das wir für den Advent ausgesucht haben, hilft mir da. In der historischen Situation trifft es auf ein Volk, das voll Angst ist, dem Volk Israel im babylonischen Exil. Nichts von dem, was sicher schien, ist noch da: Nicht der Tempel, nicht die politische Macht, kein eigenes Land, keine Selbstbestimmung. Alte Traditionen, die Sprache, einige Texte geben den Menschen Halt. Aber die Angst bleibt: vor dem Nichts, dem Ende der Zukunft.
In diese Angst spricht Gott hinein durch den Mund des Propheten.
In die Angst vor Identitätslosigkeit kommt die Zusage von Identität: „Du bist mein.“ Du bist nicht irgendwer. Du musst dich nicht erst beweisen. Du brauchst kein „weil“, um deine Existenz zu begründen. Du bist.
Für mich ist das die großartige, nicht immer einfache Antwort auf die existenzielle Angst. Ich bin. Gott hat mich gerufen, der Schöpfer des Universums nennt mich beim Namen.
Fürchte dich nicht.
Roger Schmidt