Eine Runde Mitgefühl für Führungskräfte – und ein Weg aus der Verantwortungsfalle
Menschen in Leitungsfunktionen, die Verantwortung tragen für Teams, deren Vorankommen, das Gelingen von Prozessen oder Projekten, haben es nicht leicht. Das ist schon vorher so gewesen, unter „Normalbedingungen“, als wir uns von Angesicht zu Angesicht in Meetings gegenübersitzen, gemeinsam die Köpfe zerbrechen, lachen und streiten konnten. Jetzt, mit den Einschränkungen bei Kommunikation und Kontakten, sind wir oben drein noch wichtiger Handwerkszeuge beraubt.
Gut so!
Endlich können wir uns ernstnehmen! Seit Jahren wabert die Rede von Ressourcenorientierung – im kirchlichen Kontext gern auch mal „Gabenorientierung“ genannt – durch die Lande. Man müsse die Kompetenzen von Mitarbeitenden sehen und sie wertschätzen und fördern… und ansatzweise wurde vieles mal versucht… naja …. das dauert halt, so ein kultureller Change! Da müssen wir kleine Schritte…
Und dann kommt da so eine Pandemie daher
und setzt uns die Pistole auf die Brust: „Nehmt Eure Rede von der Ressourcenorientierung ernst oder Herzinfarkt!“ Wieso, warum? Wer in der Rolle als Projektverantwortliche*r, Führungskraft oder Teamleitung nach einem Jahr Pandemie noch immer versucht, alles im Blick zu haben, alle Entscheidungen abzusegnen, alle Mitarbeitenden zu fördern, alle Informationen zu haben, alle wegweisenden Strategieoptionen selbst zu entwerfen, der lebt inzwischen vermutlich ziemlich am Rande der eigenen Kapazitäten. Das ist nachvollziehbar, denn – siehe oben – was bisher geklappt hat, klappt jetzt nicht mehr so ganz. Oder halt gar nicht. Bewährte Kommunikationswege funktionieren immer weniger und alles einfach online zu machen, führt auf Dauer zu Konzentrationsschwierigkeiten, Motivationsschwächen und letztendlich zu Fehlentscheidungen. Die sozialen Kontakte im Büro als Coping-Unterstützung sind weggebrochen. Stattdessen ist der Druck, die Mitarbeitenden „am Ball“ oder „im Loop“ zu halten, durch die Decke gegangen, genauso wie die Komplexität und Unberechenbarkeit der gesellschaftlichen Kontextfaktoren. Unterm Strich: Die Belastung in der Leitungsebene war vorher groß und ist jetzt enorm gestiegen.
Aufgeben wäre jetzt ein Impuls
Tatsächlich steigt die Burnoutgefahr gerade massiv an. Nicht nur bei homeschoolenden Elternteilen. Gibt es einen Weg da raus?
Wer hat in Physik aufgepasst? Die Sache mit dem Fakir? Druck und Fläche und so? Der Druck, also das Arbeitspensum, neudeutsch „workload“ ist eine zwar wachsende, aber halbwegs verlässliche, berechenbare Größe. Spannend wird es bei der Frage, auf wie viele Schultern er sich verteilt. Und jetzt hör ich schon wieder „Jaja, wir sollen delegieren, ich weiß“. Nein. Sollt ihr nicht. Nicht nur. Unter „delegieren“ verstehen viele nämlich nur, von der eigenen Aufgabenlast nach unten weiterzugeben. Kopieraufgaben und kleine Päckchen wie „Moderier Du doch mal die Sitzung“ zu schnüren.
Das ist ein netter kurzer Effekt – aber nicht auf Dauer entlastend
Schließlich muss ich als Leitung hinterherputzen: überprüfen, korrigieren, redigieren und dafür Sorge tragen, dass die Aufgabe so erledigt wurde, wie ich es halt wollte, wie ich es halt auch gemacht hätte. Meistens wäre man wirklich schneller, wenn man es selbst macht. Dann bin ich als Leitung unzufrieden, weil es zu lange dauert und die Mitarbeitenden sind unzufrieden, weil sie nicht wirklich gestalten dürfen, sondern nur ausführen sollen, was Leitungswille ist. Schlimmstenfalls fühlen sie sich nicht ernstgenommen und ausgenutzt. Echte Entlastung sieht anders aus. Sie kommt, wenn wir unser Reden von der Ressourcenorientierung ernst nehmen. Manche Teams sind es gar nicht gewohnt und vielleicht ruckelt es anfangs ein wenig, aber probiert es mal aus:
Keine eigenen Vorschläge machen
Nicht selbst schon wissen, was jetzt zu tun ist. Nicht liefern, sondern die Mitarbeitenden bitten, selbst Ideen auszuarbeiten. In kleinen Gruppen vielleicht, damit später aus mehreren die beste gewählt werden kann. Wenn es einen Rahmen gibt, in welchem sich die Ideen bewegen sollen, macht ihn transparent. Widersteht der Versuchung, „dabei sein“ zu wollen mindestens so lange, bis dieser Kulturwandel Fuß gefasst hat. Vorher verunmöglicht Eure Rolle das offene Wort im Team. Freundet euch mit dem Gedanken an, dass Eure Mitarbeitenden vielleicht auch kluge Köpfe sind. Erlebt, wie toll es ist, viele für die Sache denken zu lassen und zu spüren, wie der Druck auf den eigenen Schultern nachlässt. Beschränkt euch auf das, was Leitung wirklich tun soll: Das Team inspirieren, unterstützen und strategisch wegweisend denken. Und dann kauft euch ein Eis und genießt den Frühling, während Euer Team die beste Lösung für Eure Herausforderung findet. Das Leben ist anstrengend genug.