Ich habe eine gute Freundin.
Sie arbeitet in der freien Wirtschaft. Nachdem ich ja im sozialen Bereich tätig bin, muss das schon mal erwähnt werden. Das ist was Besonderes. Soziales und Business reden sonst nicht so viel miteinander. Worüber auch? Man hat ja unterschiedliche Themen, Werte, Weltanschauungen? Vermeintlich. Wären wir nicht zufällig verwandtschaftlich verbunden – wir hätten uns nie kennengelernt. Als erfolgreiche Führungskraft, die auch einige Jahre in der Personalberatung unterwegs war, verdient sie locker drei Mal so viel wie ich. Wenn wir dennoch bei Aperol Spritz beisammensitzen oder jetzt in der Pandemie mehr telefonieren, wenn sie zu ihrem Pferd fährt, reden wir trotzdem. Und immer wieder kommt dabei auch das Gespräch auf Fragen nach gelingender Teamarbeit, Führung, Kompetenzen, die es braucht und bräuchte.
Und wir kommen beide nicht aus dem Staunen heraus
Sie, weil Konzepte, die sie in ihrem Kontext als „brandneu, hat sich noch nicht durchgesetzt, müsste aber, genau!“ erlebt, in meinem Kontext selbstverständlich sind: transformationale Führung, die geprägt ist von Wertschätzung und Empowerment der Mitarbeitenden, Meditation als mentale Stärkung in schwierigen und komplexen Entscheidungssituationen, gerne auch mal verteilte Führung in Teams… Im sozialen Sektor und vor allem in der Jugendarbeit sind das Grundsätze, die wir seit den 70ern eigentlich nicht mehr losgelassen haben. Gefühlt angestaubt und moosgrün – manche meiner Kolleg*innen höre ich fast schon beschämt von „Wir in Kirche / Wir im sozialen Sektor, wir müssen ja immer über alles reden, und die ganzen Befindlichkeiten ernstnehmen…“
Ich staune auch
– darüber, dass dieses Altbewährte irgendwo neu sein soll, aber auch darüber, wie begeistert und sehnsüchtig diese Ideen und Werte von vielen Menschen aus dem „Businessbereich“ gerade aufgesaugt werden. Ich staune aber ebenso, wie es in meinem Kontext Kirche immer noch kaum möglich ist, mal klare Kante zu zeigen, auszusprechen, dass etwas nicht rentabel ist und wir andere Lösungen finden müssen. „So ein Machtmensch“ tönt es dann gerne. Und man bemitleidet und bedauert einander.
Das stimmt mich nachdenklich und manchmal traurig.
Business und Soziales – wenn ich das mal so verkürzt sagen darf – spielen einander so oft gegenseitig aus, sehen jeweils auf den anderen herab. Die einen, weil die AUDIfahrer dieser Welt noch nicht verstanden haben, was eigentlich wirklich wichtig ist. Die anderen, weil die Sozialträumer einfach keine Ahnung von Marketing haben. Irgendeinen Grund findet man immer. Muss das sein? Muss das bleiben?
Soll das so oder kann das weg?
Verbirgt sich dahinter ein altbekanntes (also im sozialen Sektor altbekanntes) Wertequadrat? Wertschöpfung gegen Wertschätzung? Man kann ja auf beiden Seiten vom Pferd fallen, wie meine Personalerfreundin gern sagt. Warum lernen wir nicht von einander? Die einen lernen, wertschätzend zu kommunizieren, die anderen mit Zahlen ehrlich zu sein. Die einen lernen, mit dem Herzen zu sehen, die anderen, auch schmerzvolle Entscheidungen zu treffen. Einzelfalllösungen UND Prozessoptimierung – vielleicht sogar DURCH? Ich bin überzeugt, wenn wir das Beste aus beiden Welten nehmen, bekommen wir das Beste für diese unsere Eine Welt…. Wer macht mit?