20 Jahre Ökumenische Nagelkreuzinitiative Würzburg

Das Studienzentrum Josefstal setzt sich als Nagelkreuzzentrum seit langem für Versöhnung und Gerechtigkeit ein. Johanna Falk, die 12 Jahre im Leitungskreis der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland mitarbeitete, wurde erst in Coventry und dann beim Europäisch-Ökumenischen Studienkurs in Josefstal zu ihrem Engagement inspiriert. Angesteckt von der Versöhnungsidee gründete sie mit anderen die Ökumenische Nagelkreuzinitiative Würzburg und war bis 2015 deren Sprecherin. Wir gratulieren zum 20jährigen Jubiläum und freuen uns über ihren Rückblick.

Es begann vor 25 Jahren… in der Ruine von Coventry

Ein Blick auf die Nagelkreuzzentren in Deutschland und in anderen Ländern zeigt: Kein Versöhnungsort gleicht dem anderen. Ein Netzwerk verbindet wunderbare Menschen, die alle Versöhnung und Frieden in den Mittelpunkt ihres Bemühens stellen. Jedes Zentrum hat seine eigene Geschichte. So auch die Ökumenische Nagelkreuzinitiative Würzburg.

Coventry 1996 – erste Berührungen

Eine Gruppe evangelischer und katholischer Christen aus dem Ökumenischen Zentrum Würzburg Lengfeld (ÖZ) reist mit ihren Pfarrern Karl-Heinz Wagner (evang.) und Wolfgang Rieser (kath.) im August 1996 nach England.  Auch Coventry steht auf dem Programm. Entscheidend wird ein Gottesdienst in der Ruine der Kathedrale. Der damalige Direktor des Internationalen Versöhnungszentrums Dr. Paul Oestreicher bittet die beiden Pfarrer aus dem ÖZ Würzburg zu sich an den Altar. Was sie bisher nie in Lengfeld praktiziert haben, erleben sie in Coventry: die Gemeinsamkeit beim Abendmahl am Versöhnungsaltar der Anglikanischen Kathedrale St. Michael.

Ein weiteres bleibendes Erlebnis: Pfarrer Wolfgang Rieser entdeckt im Kreuzgang der Kathedrale von Canterbury eine Bronzetafel für Arthur Michael Ramsey (1904-1988), von 1961 bis 1974 Erzbischof von Canterbury und Primas der Anglikanischen Kirche. Ihn schloss Rieser immer in das Hochgebet seiner Gottesdienste ein. Denn Ramsey hatte am 5. Oktober 1966 mit Papst Paul VI. den Dialog zwischen anglikanischer und katholischer Kirche begonnen.

Im Dezember 1996 fand ein sehr gut besuchter Informationsabend im ÖZ über die Reise nach England statt. Da ich selbst damals nicht mitfahren konnte, berührten und begeisterten mich die Schilderungen der ereignisreichen Tage in England. Könnte das Nagelkreuz irgendwie nach Würzburg kommen? Coventry und Würzburg: Zwei Städte mit ähnlichem Schicksal während des 2. Weltkrieges!

Europäisch-Ökumenischer Studienkurs 1997 in Josefstal/Schliersee, Bayern: Versöhnung wird konkret

Der Gemeindeleitung im evang. Kirchenvorstand des ÖZ Würzburg-Lengfeld war die Zusammenarbeit mit der kath. Seite, v. a. mit dem Pfarrgemeinderat, selbstverständlich. Die beiden Pfarrer des ÖZ waren die Herausgeber der Ökumenischen Stadtteilzeitung „Die Brücke“. Ich gehörte zur Redaktion. Damit ich „Ökumene pur“ erleben konnte, besuchte ich 1997 den 10-tägigen Ökumenischen Europäischen Studienkurs in Josefstal. Auch Pfarrer Rieser hat Jahre später als ältester Teilnehmer begeistert den Studienkurs besucht. Mit 50 Teilnehmenden verschiedener Konfessionen aus ganz Europa bereiteten wir eine Stellungnahme für die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung in Graz vor. Thema: „Versöhnung, Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“. Im Gottesdienst feierten wir 30 Jahre Nagelkreuzzentrum Josefstal. Dr. Paul Oestreicher hatte eine Grußbotschaft geschickt. Karl-Anton Hagedorn, Vorsitzender der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland, hielt die Festpredigt. Zum ersten Mal hörte ich viele Details über das Nagelkreuz und die Versöhnungslitanei. Noch im selben Jahr schrieb Hagedorn einen Brief an das ÖZ, ob es Nagelkreuzort werden wolle. Es kam eine Absage. Aber bald darauf hatte ich eine erste Begegnung mit dem neuen Pfarrer der Evang. Luth. Dekanatskirche St. Stephan, Claus Deininger: Zwei Begeisterte lernen sich kennen und schmieden Pläne. Bald faszinierten unsere Ideen engagierte Menschen in den Kirchen und im Rathaus von Würzburg.

Unser Traum: Ein Nagelkreuz für Würzburg! Ideensuche 1998

Alle uns bekannten Interessierten holten wir in einer Gründerrunde zusammen, darunter die „Unruheständler“ Pfarrer Rieser und Pfarrer Wagner. Bald zeichneten sich einige Grundlinien ab:

  • Die Evang. Luth. Dekanatskirche St. Stephan soll Ausgangspunkt der Nagelkreuzarbeit werden.
  • Das Versöhnungskreuz muss in Würzburg ökumenisch sein.
  • Die Stadt mit ihrer Geschichte der Zerstörung vom 16. März 1945 soll mit ins Boot. Der damalige Oberbürgermeister Jürgen Weber und sein Mitarbeiter Wolfgang Hugo tragen das Anliegen mit.
  • Es entwickeln sich erste Überlegungen zu einem Nagelkreuz, das „wandert“ und die Botschaft der Versöhnung in alle Bereiche der Stadtgesellschaft trägt.
  • Das Versöhnungsgebet braucht einen festen Ort (Marienkapelle).
  • Der Versöhnungsgedanke soll durch Kunstwerke in der Stadt sichtbar sein.
  • Wir wollen die benachbarten Nagelkreuzzentren kennenlernen und natürlich das Internationale Versöhnungszentrum an der Kathedrale in Coventry

1999 formulieren engagierte Menschen aus den Kirchen und der Stadt den Antrag zur Aufnahme in die Nagelkreuzgemeinschaft.

Das Konzept des Wandernagelkreuzes fand Anerkennung

Am 16. März 2001 wird der Stadt und den Kirchen von Canon Andrew White unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Marktplatz das weltweit erste Wandernagelkreuz verliehen. Heute können wir auf 20 Gastorte des Wandernagelkreuzes in Würzburg zurückblicken (Überblick als pdf).

Am 27. Februar 2021 wird Monsignore Pfarrer Wolfgang Rieser im 90. Lebensjahr von seinem Schöpfer erlöst. Bis zum Ende seines Lebens gilt sein Interesse der Arbeit der Nagelkreuzinitiative Würzburg und des Versöhnungszentrums in Coventry. In Dankbarkeit blicken wir auf einen Brückenbauer zwischen den Konfessionen, der die Träume des 2. Vatikanischen Konzils lebte, der immer für Ökumene plädierte und sich für das Wandernagelkreuz tatkräftig einsetzte. In die Worte von Monsignore Rieser bei seinem Abschied aus Lengfeld im Jahr 1996, angelehnt an ein Zitat von Dag Hammarskjöld, stimmen wir ein: „Dem Vergangenen Dank, dem Kommenden Ja!“

Text: Johanna Falk

Die „Co-Piloten“ des ÖZ Rieser und Wagner gestalten am 16. März 2006 an der Versöhnungsglocke die Weitergabe des Wandernagelkreuzes in den Stadtteil Grombühl. (Foto: Roland Dietsch)

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